Die Motorrad- Villa Löwenherz in Lauenförde

Wochenendtreiben vor der Villa
Wochenendtreiben vor der Villa
 

Ausgangspunkt für viele Biketouren im Weserbergland und zum Harz kann die Villa Löwenherz in Lauenförde sein. Vor etwas mehr als 25 Jahren kam eine Familie Pirone auf die verrückte Idee, aus einer leer stehenden, ehemaligen Fabrikantenvilla ein einfaches Bikerhotel zu machen. Damals konnte niemand ahnen, dass Motorradfahren wieder eine solche Renaissance erleben wird. Heute ist die Villa weit über Deutschland hinaus unter vielen Bikern bekannt. Die Tochter und der Schwiegersohn des Gründers haben die Geschäfte übernommen. Der Senior ist nicht müde zu kriegen und hat in der Nachbarschaft eine ganze Burg zu einem weiteren Motorradhotel, die Tonenburg bei Albaxen/Höxter, ausgebaut. Die Villa Löwenherz  liegt etwas versteckt hinter einem großen, Zaun mit weißer Mauer und alten Bäumen an der Straße zwischen Lauenförde und Würgasen fast im Ortszentrum neben einem Supermarkt und gegenüber einem Getränkemarkt. Das Tor ist immer offen. Bei der Anfahrt bitte beachten, dass 2003 die Weserbrücke Beverungen-Lauenförde gesperrt ist und die Umleitung über die Brücke Herstelle - Würgassen (geht von der B83 ab) zu nehmen ist. Auf der Internetseite der Villa stehen Tipps dazu.

Martha, die Chefin, hat alles fest im Griff
Martha, die Chefin, hat alles fest im Griff
Die Villa im Internet: http://www.villa-loewenherz.de/
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Es herrscht eine gute, lockere Stimmung in dem Haus. Die Unterbringung ist einfach. Der Barbetrieb kann sich auch mal länger hinziehen. Am Weekend kann es auch sein, dass tanzwütige Bikerinnen mal kurz die Tische im Barraum auf die Seite räumen und eine kleine Disco veranstalten.

Das Weserbergland hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer bevorzugten Bikerregion entwickelt. Im Umkreis von 150 km gibt es überraschend schöne Bikerstrecken, schöne Landschaften und viele Sehenswürdigkeiten. Es ist auch das Land der Märchen, Geschichten und Geschichtenschreiber. Von der realen Geschichte ist hier auch noch viel zu sehen.

Rückseite der Villa am 22.Juli 2001.
Die Rückseite der Villa am 22.Juli 2001.
Dazu gehört auch die Geschichte der Villa Löwenherz. Im Gastraum links von der Bar wird in den Schautafeln die Geschichte des Hauses und der Familie Löwenherz in Dokumenten erzählt. Die Villa wurde von dem Besitzer der HERLAG- Holzwerke Lauenförde (heute ein Gartenmöbelhersteller), Kommerzienrat Hermann Löwenherz Ende des letzten Jahrhunderts geplant und 1905 erbaut. Mit den markanten Gauben etwas in Anlehnung an den Baustil der Weserrenaissance gebaut. Ein schöner Sandsteinbau. Von Kaiser Wilhelm II wurde er zum kgl. Kommerzienrat ernannt. Er starb 1916. Seine Kinder führten das Unternehmen weiter bis zur Judenverfolgung in der Nazizeit. Die Kinder konnten alle rechtzeitig Deutschland in Richtung Schweden, Brasilien und USA verlassen. Nur die alte Frau Kommerzienrat blieb allein hier, zog aber aus Sicherheitsgründen nach Göttingen. Am Vorabend ihres Abtransportes in ein KZ erhängte sie sich in ihrer Wohnung. Nur eine Tochter kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Die Familie lebt in Hamburg. Briefe, Dokumente und Bilder mit den Erben des Hermann Löwenherz sind ausgestellt.


Das Treppenhaus mit Frühstücksbuffet
Das Treppenhaus mit Frühstücksbuffet. Die Löwenherz`s waren Holzfabrikanten. Es ist viel Holz verbaut in dem Haus.
Die Nazis machten aus der Villa ein Mädchenheim (BDM -Bund deutscher Mädel, dem Mädchen-Pedant der Hitlerjugend). Trotzdem erhielt sich der Haus-Name: "Villa Löwenherz". Nach dem Krieg teilte die Villa das Schicksal aller großen Häuser, Burgen, Schlösser, Barackenlager, KZ`s usw. in Deutschland, es wurde ein Flüchtlingsheim für die geflohenen oder vertrieben Menschen aus dem Osten. Bis zu 22 Familien fanden hier ein Dach über dem Kopf. Ein Friseur war ebenso im Haus untergebracht, wie auch die Schul- und Kindergartenspeisung. 1962 kaufte ein Architekt aus Holzminden das gesamte Areal. Er ließ das Haus von 1964 bis 78 leer stehen, so dass es verfiel. 1978 erwarb die Familie Pirone einen Teil des Anwesens mit der Villa und baute es mit viel Eigenleistung zum Motorradfahrerhotel aus. Sie gab der Villa ihren alten Namen "Löwenherz" zurück. Was die Nachfahren des Hermann Löwenherz in den USA besonders freute, wie in einem Brief der Tochter des Erbauers aus den USA zu lesen ist. Schön, dass das Gebäude und die Geschichte des Hauses erhalten wurde und neu lebt. Seit Mai 1998 haben die Kinder Stephan und Martha gemeinsam mit ihren Ehepartnern Petra und Reiner die Leitung der Villa von ihren Eltern übernommen.


Tourguidesitzung im
Tourguidesitzung im "schönen Zimmer" am 20.07.2001
Lauenförde gehört zum Kreis Holzminden und damit zu Niedersachsen. Beverungen am anderen Weserufer zum Kreis Höxter und damit zum Land Nordrhein-Westfalen (NRW). Holzminden ist übrigens das Zentrum der europäischen Duft- und Geschmacksstoffindustrie. Es riecht recht gut um diese zwei Fabriken nach Erdbeeren, Vanille, Braten, Parfüm, Blumen.. etc. Wir können ja mal hinfahren und an den Abflussrohren schnuppern, was sie gerade zusammenbrauen.

Direkt an der Weser steht auf Beverunger Seite an der Brücke der 1914 erneuerte, recht wuchtige Turm der alten Burg. Er beherbergt ein Stuhlmuseum. Sitzmöbel ! Die holzreiche Gegend hier zwischen dem Eggegebirge und dem Solling ist immer noch das Zentrum der deutschen Möbelindustrie. Die Burg verkam, als Fürst Metternich sie Mitte des letzten Jahrhunderts vom Königreich Preußen erwarb. Er hatte die Stadt Beverungen um 150 Taler überboten, was nach höchstadeliger Schiebung riecht. Die Stadt hatte schließlich doch die Last mit der Renovierung der vom Fürsten später hinterlassenen Trümmer. Die Burg war übrigens auch mal im Besitz von König Jerome von Westfalen, dem Bruder von Napoleon, als dieser seinem kleinen Bruder ein Königreich aus Hessen, Westfalen und Paderborn bastelte. Jerome war und ist übrigens wegen der Einführung des Zivilen Gesetzbuches (Code Napoleon) bei seinen Untertanen in Kassel sehr beliebt gewesen. Die Landgrafen von Hessen-Kassel sind durch dem Verkauf von Landeskindern an die Engländer zwecks Krieg unrühmlich für alle Zeit in die Geschichte eingegangen (Roman von Sandra Paretti: "Der Winter der ein Sommer war").

Die Nachbarortschaft von Lauenförde ist das am gleichen Weserufer liegende Würgassen. Eine der ganz wenigen Stellen, wo ein Stück linkes Weserufer am Oberlauf zu NRW gehört. Es dürfte der am weitesten von Düsseldorf entfernte Ort in NRW sein. Und was findet man da in der Abgelegenheit? - ein KKW. Die Stromleitungen gehen fast alle über die Weser zurück nach NRW. Würgassen ist für Ewigkeiten stillgelegt, so viel ich weiß. Das ist wohl das Schicksal dieser "Zukunfts"-Industrie, wenn man dem aktuellen deutschen Zeitgeist folgen will.